Yoga überall! Frühstückstisch-Gedanken

 
Yoga, mehr als nur ein Lifestyle-Trend?

Yoga, mehr als nur ein Lifestyle-Trend?

Als ich mir letztens mein Frühstück zubereitete, war ich ganz schön erstaunt. Da wurden doch wirklich Yoga-Positionen auf der Rückseite der Müsli-Packung vorgestellt. „Vom New York Time Square bis zu meinem Frühstückstisch, Yoga ist wirklich überall“, dachte ich mir in diesem Moment. Das hat mich zum Nachdenken gebracht.

 

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass bei uns Zuhause ein Yoga-Buch im Regal stand, das ich mir als Kind hauptsächlich wegen der akrobatischen Positionen gerne ansah. Das ist mehr als 20 Jahre her und von der großen Beliebtheit, der sich Yoga heute erfreut war damals noch nichts zu merken. Ganz anders ist das heute. Mittlerweile machen mehr als 10 % der Amerikaner regelmäßig Yoga, in Deutschland sind es etwas weniger, allerdings steigt die Zahl von Jahr zu Jahr an (für Österreich gibt es leider keine Daten). Dabei hat Yoga den etwas staubigen Eso-Ruf längst abgelegt. Doch Yoga ist nicht nur ein Lifestyle-Trend. Die moderne Wissenschaft ist mittlerweile auf den Yoga-Zug aufgesprungen. Das sieht man ganz besonders deutlich, wenn man sich die Anzahl der veröffentlichten wissenschaftlichen Studien zum Thema Yoga ansieht (s. Bild). Diese sind von 30 Studien im Jahr 1998 auf 443 im Jahr 2018 gestiegen.

© Das Yogaprojekt, Quelle: PubMed

© Das Yogaprojekt, Quelle: PubMed

Doch was hat dazu geführt, das Yoga so beliebt wurde?

Am Frühstückstisch dachte ich ein bisschen darüber nach und mir viel sofort der Gedanke „Yoga als Antwort auf den Stress unserer heutigen Zeit“ ein. Studien wie der Amerikanische „Stress Report“ oder ein Bericht zum Thema Wohlbefinden der Statistik Austria für das BMNT (Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus) bestätigen, dass sich aktuell sehr viele Menschen gestresst und unter starkem Zeitdruck fühlen. So geben zum Beispiel mehr als 70% der Amerikaner an, regelmäßig physiologischen und psychischen Stress-Symptomen ausgesetzt zu sein. Fest steht auch, dass Stress eine der größten Belastungen unserer Gesundheit ist. Während bis zur Mitte des 20. Jht. noch infektiöse Erkrankungen wie Pocken, Polio und Tuberkulose vorrangig waren, sind es jetzt die sogenannten „nicht-übertragbaren Krankheiten“ (non-communicable disease, NCDs), die unsere Gesundheit am meisten beeinträchtigen. Dazu gehören Kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes, Krebs und neuropsychiatrische Erkrankungen. Ein Hauptauslöser für diese Erkrankungen ist chronischer Stress.

 

Aber trotzt der hohen Stressbelastung, die viele in ihrem Leben empfinden, wächst unser Wunsch und unser Streben nach Gesundheit. Dabei übernehmen wir immer mehr Selbstverantwortung. Wir informieren uns darüber, was gut oder schlecht für uns ist und nehmen unsere Gesundheit selbst in die Hand. Unser Verständnis dafür, was Gesundheit eigentlich bedeutet, wird immer umfangreicher und einer der höchsten gesellschaftlichen Werte ist das eigene Wohlbefinden.

 

Doch was bedeutet Wohlbefinden für uns? Diese Frage darf mittlerweile jeder für sich selbst beantworten, Individualität ist hier das Stichwort. Während früher noch strenge Regeln galten, werden strikte Programme in denen es vor allem um Verzicht ging (zum Beispiel Diäten wie „Low Carb“), durch Genuss und Lebensqualität abgelöst. Denn strenge Diäten und das Streben nach einer bestimmten Figur sorgen meistens nur für noch mehr Stress, den wir ja eigentlich loswerden wollen. Das gilt allerdings nicht nur bei der Ernährung, sondern auch für körperlichen Aktivitäten. Die oberste Priorität ist dabei nicht mehr der Traumkörper, sondern die Freude an der Bewegung selbst. Genau deshalb erleben Outdoor Aktivitäten wie Radfahren, Klettern und Wandern, aber auch ganzheitliche Bewegungsformen wie Yoga einen Boom. Wir begreifen mehr und mehr, wie wichtig dieser ganzheitliche Ansatz ist und haben verstanden, dass der Körper aus mehr besteht, als aus einzelnen Muskelgruppen. Dazu gehört auch die geistige Gesundheit. Mentales Training in Form von unterschiedlichsten Meditationen und Achtsamkeitsübungen ist auf dem Vormarsch.

 

Dabei nimmt Yoga eine ganz besondere Stellung ein, denn Yoga vereint viele der oben beschriebenen Elemente. Yoga ist Bewegung, mit einer großen Portion Achtsamkeit und Entspannung. Oberste Priorität dabei: Das Wohlbefinden. Im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten, lassen wir dabei den Leitungsgedanken außen vor und konzentrieren uns ganz auf uns selbst. „Was tut mir in diesem Moment gut?“, „Was braucht mein Körper?“, „Höre ich auf mich selbst?“. In einer Yogaklasse lernt man, sich diese Fragen zu stellen und sie zu beantworten. Und damit trifft Yoga den Nerv der Zeit. Es geht nicht mehr darum, perfekt zu sein, gut auszusehen oder den Traumkörper zu erreichen. Bewegung muss nicht nur fit machen, sondern gleichzeitig auch Freude bereiten.

 

Für mich macht das die Besonderheit von Yoga aus. Es ist ein perfektes „All-in-one-Programm“, für viele sogar eine Lebenseinstellung. In einer 75-minütigen Einheit komme ich ins Schwitzen, löse Verspannung die sich vielleicht angesammelt haben, fördere meine Gesundheit, komme zur Entspannung, atme bewusst und bin ganz bei mir. Kaum eine andere Beschäftigung gibt mir die Möglichkeit, all das auf einmal zu tun. Und die positiven Effekte gehen weit über die Zeit auf der Matte hinaus. Zusammenfassend könnte man sagen: Yoga fördert das Wohlbefinden auf unzähligen Ebenen (dazu mehr in den nächsten Artikeln).

 

Stress und Zeitdruck unserer Gesellschaft und das gleichzeitige Streben nach Lebensqualität und Wohlbefinden sind sicher maßgeblich für den Erfolg von Yoga, aber wahrscheinlich nicht die einzigen Gründe. Bei mir selbst und bei den Yogis im Studio bemerke ich schon seit längerem, dass Yogaklassen gerne in Ausnahmesituationen oder als Vorbereitung auf wichtige Lebensgeschehnisse besucht werden. So war ich an den Vorabenden meiner Master- und Doktorprüfung in einer Yogaklasse und in meinen Stunden waren schon Yogis, die am nächsten Tag Matura hatten oder heirateten. Ob wir zum Yoga gehen weil wir „auf der Suche nach mehr“ sind? Diese Frage zu diskutieren wäre garantiert spannend, würde aber weit über normale Frühstückstischgedanken hinaus gehen.

 
Mia RonovskyKommentieren